Das alte niederbayerische
Bauernjahr


Unternehmen wir nun einen Gang durch das alte niederbayerische Bauernjahr! Beginnen wir bei den düstersten Tagen des Jahres, an denen die Finsternis Herrschaft gewinnt über die Kraft des Lichtes.
Diese Tage waren in der Vorstellung unserer Urahnen erfüllt und bedroht vom Walten böser Geister, der Dämonen, die sich bei ihnen zu bestimmten Schreckgestalten verkörperten. In den Festen des heiligen Nikolaus und seines wilden Begleiters Klaubauf, Krampus oder Knecht Ruprecht, der heiligen Luzia und des heiligen Thomas lebt der Kult solch heidnischer Schreckgestalten fort.

D' Luzia geht um!
Die brave und die böse Luzia

Seit dem frühen Mittelalter ist der 13. Dezember dem Andenken der heiligen Luzia geweiht, die, auf Syrakus in Sizilien gebürtig, um das Jahr 304 unter dem römischen Kaiser Diokletian den Märtyrertod erlitten hat. Ehe Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 den jetzigen, nach ihm benannten Kalender eingeführt hat ("Gregorianischer Kalender"),  galt der Luziatag als der kürzeste Tag des Jahres, dem die längste Nacht folgte. ln dieser Nacht entfalteten nach dem Glauben der Alten die Dämonen ihre größte Macht. Nach alter Vorstellung war eine Dämonin, eine weibliche Schreckgestalt, die Beherrscherin dieses Tages. Diese Vorstellung lebte weiter, auch nachdem dieser Tag später einer christlichen Heiligen geweiht wurde. Deshalb steht der Luziatag und sein Brauchtum unter dem starken Gegensatz der Verehrung einer Heiligen und der Furcht vor einer Dämonin. Als Heilige der katholischen Kirche gilt Sankt Luzia als Patronin gegen Augenkrankheiten. Die Künstler stellten sie deshalb meist dar, wie sie eine Schale hält, in der sich zwei Augen befinden. Die Überlieferung erzählt nämlich, daß die heilige durch ihre Schönheit die Liebe eines heidnischen Jünglings entfacht hat. Um sich seiner Leidenschaft zu erwehren, riß sie sich die Augen aus und ließ sie ihrem Verehrer auf einer Schale überbringen. Doch die Muttergottes soll ihr darauf noch schönere Augen geschenkt haben. Viel mehr als dieser christliche Kult zur heiligen Luzia wurde früher bis in unsere Zeit herein der Kult der heidnischen, der dämonischen Luzia gepflegt. "D'Luzia geht um!" warnte früher die Mutter die bösen Kinder. Die böse Luzia war ehedem bei der Kinderwelt gefürchtet, erzählten doch die Eltern, sie ginge in der Dunkelheit herum, um unfolgsamen Kindern den Bauch aufzuschneiden. Das ist die alte Dämonin der tiefsten Winterszeit, die "bluadige Luzia", vor der sich früher die Kinder sehr gefürchtet haben. Noch zu Anfang unseres Jahrhunderts betrat am Vorabend des Luziatages eine vermummte Gestalt als böse und grausame Luzia die Bauernstuben und flößte den Kindern Furcht ein.

Kinderschreck
Das Auftreten der bösen Luzia am Abend des 12. Dezember haben früher die Kinder mit der gleichen Spannung erwartet, wie sie heute noch auf den heiligen Nikolaus warten. Doch der Luzia fehlte der gütige Zug, der dem heiligen Nikolaus eigen ist. Sie war der Kinderschreck, der den Kindern nur Leid antun wollte. Wochenlang wurde von der Luzia gesprochen, bis sie endlich kam. Ihr Auftreten brachte Abwechslung in die langen Winterabende, Erheiterung und düsteren Reiz zugleich, wie es die Menschen seitjeher gerne mochten. "An Luzia geht der Tag irr", sagen die Bauern noch heute. Sie meinen damit, daß der Tag nicht mehr merklich kürzer, aber auch noch nicht länger wird.

Thomasnacht
Der bluadige Thamerl
Seit der Einführung des Gregorianischen Kalenders ist der 21. Dezember der Tag mit der längsten Nacht im Jahr. Die Kirche hat das Fest des heiligen Apostels Thomas auf diesen Tag gelegt. Als "bluadiger Thamerl" spielte der heilige Thomas früher als Schreckgespenst für die Kinder eine ähnliche Rolle wie die heilige Luzia. Er erschien am Vorabend vor den bäuerlichen Stuben und flößte wie die Luzia den Kindern Furcht ein. In manchen Gegenden des Bayerischen Waldes reckte der "bluadige Thamerl" ein blutbesudeltes Bein zur Stube herein, die er aber nicht zu betreten wagte. In anderen Gegenden schwang er einen blutigen Hammer und drohte den bösen Kindern damit. Ob sich dieser hammerschwingende "Thamerl" von dem altdeutschen Donnergott Donar ableitet oder nicht, ist nicht gewiß. Jedenfalls hat sich auch mit der Verehrung des heiligen Thomas die Vorstellung an eine vorchristliche Schreckgestalt der Winterszeit verbunden. Daß man gerade an diesem Tag die Kinder mit blutrünstigen Märchen schreckte, hängt sicher auch damit zusammen, daß der Thomastag früher Schlachttermin war.

Die vier Rauchnächte
Dieser Name galt ursprünglich nur den drei oder vier Nächten, an denen man durch Räucherung von Haus und Hof die Dämonen verscheuchte: der Thomasnacht, der Weihnacht, der Neujahrsnacht und der Dreikönigsnacht. Schon der germanische Hausvater räucherte um die Mittwinternächte seine Behausung aus, um in den langen dunklen Winternächten der bösen Geister Herr zu werden. Die Bäuerin spritzte an den Rauhnächten vor dem Schlafengehen an vielen Stellen des Hauses Weihwasser aus, um die bösen Geister zu bannen und den armen Seelen einen Ruheplatz zu schaffen. Denn an den Rauhnächten sind die bösen Geister frei. Nach dem Volksglauben versprengt man sie durch Lärmen und Schießen, sowie durch die Einhaltung bestimmter Arbeitsverbote. In den Rauhnächten durfte man nicht waschen und auch keine Wäsche aufhängen, nicht backen, düngen und spinnen.

Die Weihnacht
Ähnlich wie bei den Festen der heiligen Luzia und des heiligen Thomas verbinden sich auch im alten Brauchtum der Heiligen Nacht vorchristliche und christliche Vorstellungen. Auch die Weihnacht galt seit alters als eine Losnacht, in der man künftige Dinge schauen kann.

Die Tiere reden
Auch die Haustiere waren in das alte Brauchtum der Christnacht einbezogen. Nach dem Gebetläuten darf niemand mehr im Stall sein, da sonst die Hexe hineinfährt, und keine Milch mehr aus dem Haus kommen, da sonst die Kühe verhext, werden. Wie am Ostersonntag erhält das Vieh Geweihtes zu fressen. Wenn man die Hühner während der Mette füttert, so legen sie das ganze Jahr über viele Eier. Zur zwölften Stunde der Christnacht reden die Tiere miteinander.

Das Christkindlanschießen
Sehr alten Ursprungs ist auch das "Chritskindlanschießen" vor der Mette, das auch heute noch manchmal geübt wird, und das Schießen nach der Mette: durch Lärm wehrte man feindliche Dämonen ab. Weil beim Christkindlanschießen früher durch Unvorsichtigkeit viele Unglücke vorkamen, wurde es seit der Zeit der Aufklärung immer wieder verboten. Doch an manchen Orten wird das Christkind auch heute noch kräftig angeschossen.

Der Christbaum
Auch wenn wir alljährlich den Christbaum aufstellen, so lebt damit ein alter Brauch fort. In seiner heutigen Gestalt begegnet uns der Christ- oder Weihnachtsbaum erst seit dem vorigen Jahrhundert; vor dem 17. Jahrhundert finden sich für ihn keine Zeugnisse. Früher hatte man an diesem Tag nur Tannenzweige in die Stuben geholt, winterliches Grün, durch das man sich Gesundheit, Wachstum, Fruchtbarkeit in Haus, Stall und Feld sichern wollte. Nun galt, wie schon erwähnt der 24. Dezember als eine der "Rauchnächte" an denen man sich durch Räucherungen und durch brennende Lichter unheilbringender Dämonen erwehrte. Aus diesen beiden alten Wurzeln, aus dem wintergrünen Baum und den dämonenabwehrenden Lichtern, ist im Lauf der Zeit unser Weihnachtsbaum entstanden. Noch heute bleibt er die zwölf Rauhnächte über in unseren Stuben: am Weihnachtsabend wird er aufgestellt und am Dreikönigstag wird er wieder entfernt.

Der Tag der Geburt des Herrn
So spielt viel altes Brauchtum in unser Weihnachtsfest herein. Freilich überwiegt seit langem das christliche Gedankengut. Im vierten Jahrhundert nach Christus hat die Kirche die Feier der Geburt Christi auf den 25. Dezember gelegt: der wirkliche Tag der Geburt des Herrn ist uns ja nicht überliefert. Der Heilige Abend gilt der Vorbereitung auf das Fest der Geburt Christi. An ihm wird gefastet und die Arbeit früher beendet als sonst. Am Abend erscheint das Christkind als Gabenbringer. Die Kerzen des geschmückten Christbaumes, werden entzündet, und die bescherten Kinder verrichten vor ihm ein Gebet. Auch eine Krippe ist unter dem Christbaum aufgestellt. Kurz vor Mitternacht läuten die Glocken zur Christmette. Mit flackernden Laternenlichtern machten sich dann die Bauern auf den Weg zur Kirche. Heute geht auch dies viel nüchterner zu als früher.

Der Weihnachter
Nach der Mette wurden dann die "Mettenwürste" aufgetischt. Blut- und Leberwürste von dem Schwein, das mehrere Tage vor Weihnachten geschlachtet wurde und das man die "Weihnachtssau" oder kurz den "Weihnachter" nannte.

Bewirtung der Toten

Auch dieses "heilige Mahl" führt weit zurück in alte Zeiten, desgleichen der Brauch, mit der Mettenwurst auch die Toten zu bewirten, sowie das Backen besonders geformter Weihnatchtsgebäcke. Das Mettenessen war früher auch für das im letzten Jahr verstorbene Mitglied einer Hofgemeinschaft hergerichtet. Diese Mahlzeit blieb unberührt. Man schenkte sie am nächsten Tag einem Armen. Das Kletzenbrot und manch anders Weihnachtsgebäck zählte zu den "Gebildebroten", zu den Broten, denen eine besondere Gestalt eigen war, und die in alter Zeit als Opfergaben und als Symbole der Fruchtbarkeit dienten. Wie bedauerlich ist es, daß das Weihnachtsfest seit einigen Jahrzehnten besonders in den Städten immer mehr von seinem alten Sinn verliert. Die Bescherung des Heiligen Abends hat sich früher in ganz bescheidenem Rahmen gehalten, sie ist ja Nebensache. Aus nacktem Gewinnstreben hat man sie immer mehr in den Mittelpunkt des Festes gestellt, und heute gilt die Weihnachtsfest für viele nur mehr als die Hauptgeschäftszeit des Jahres.

Stephanitag
Stephanireiten
Für zwei Tage ruht nun die Arbeit. der 25. Dezember, der Weihnachtstag, war einer der wenigen Tage im bäuerlichen Leben, an denen nur die allernotwendigsten Arbeiten verrichtet werden durften. Am zweiten Weihnachtsfeiertag, dem 26. Dezember ist das Fest des heiligen Stephanus, des ersten christlichen Märtyrers. Weil der heilige Stephan auch als Patron der Pferde gilt, ist der Stephanitag ein wichtiger Tag im Bauernkalender. An diesem Tag läßt der Bauer nach der Messe Salz und Wasser weihen, die sein Vieh besonders in den Losnächten vor Hexen und anderen Unholden den Druden, schützen soll. Aber auch während der übrigen Tage des Jahres sollte das Stephanisalz und das Stephaniwasser das Vieh vor Krankheit bewahren. Der Bauer mischte ihm davon etwas unter das Futter. Das Stephanisalz formte er zu einer Scheibe und hängte sie in einer Ecke des Stalles auf. Früher fand in vielen Dörfern ein Pferdeumritt, das "Stephanireiten", statt. Dabei wurden die Pferde mit Stephaniwasser besprengt und nachher mit Stephanisalz gefüttert. Solche Stephaniritte finden auch heute noch vereinzelt statt. Sie halten die Erinnerung an die Pferdeumritte wach, die unsere Urahnen in der Mittwinterszeit um die Grabstätten ihrer Sippe unternahmen. Am Nachmittag des Stephanitages wurde in den Bauernhäusern Kletzenbrot verteilt.

Silvester
Wenige Tage später ist das Jahr zu Ende. Die Silvesternacht, die Nacht vom 31. Dezember zum 1. Januar, ist die dritte Rauchnacht und zugleich eine Losnacht. Das Ausräuchern ist seit langem nur mehr in der letzten der Rauchnächte, am Dreikönigstag, üblich.

Bleigießen
Unter den Losnächten aber ist die Neujahrsnacht die einzige, in der heute noch gelöselt, in der über die Zukunft gelost wird. Das Bleigießen in der Silvesternacht hat sich sogar in den Städten bis heute erhalten. Dazu schmilzt man in einem Blechlöffel ein Stück Blei und läßt es flüssig in ein Gefäß mit Wasser fallen. Aus der Form, die sich bei dem raschen Erstarren des Bleies bildet, schließt man auf Freud oder Leid, Beruf, Hochzeit oder Tod. Auf dem Land blieben lange die anderen Formen des Zukunftslöselns, das Pantoffelwerfen und das Zaunsteckerlzählen, üblich. In den Städten hat sich die Silvesternacht zu einer fröhlichen Feier entwickelt, bei der Punsch, Bowle oder Sekt getrunken wird. An die Stelle des Neujahrsanschießens, das in alter Zeit an vielen Orten geübt wurde, ist in den Städten das Abbrennen von Feuerwerkskörpern getreten. Auf dem Land aber erhielt das Vieh auch in der Neujahrsnacht sein "Geweihtes" ins Futter.

Neujahr
Papst Innozenz XII. hat im Jahr 1691 den Beginn eines neuen Jahres auf den 1. Januar festgesetzt. Der alte Brauch, seinen Verwandten und Bekannten an diesem Tag Glück für das kommende Jahr zu wünschen, ist noch in voller Übung. Unter den Städtern geschieht dies freilich in der Regel nur mehr dadurch, daß man sich gegenseitig vorgedruckte Karten zusendet, die in der Regel recht geschmacklos gestaltet und so von guter alter Art weit entfernt sind. Auf dem Land ist es oft noch Sache der Kinder, von Haus zu Haus zu gehen und ihren Neujahrswunsch herunterzuschreien, wofür ihnen eine kleine Gabe sicher ist. Weit verbreitet war in Niederbayern folgender Glückwunsch: "I wünsch enk a glückseligs neis Jahr, s' Christkindl mit am kraustn Haar, a langs Lebn und a grats Lebn und an Himmi danebn!" Früher übersandten die Handwerksleute zu Neujahr ihren Kunden die Jahresrechnungen. Heute noch ist es üblich, dem Postboten, der Zeitungsfrau, dem Bäckerlehrling, der die Frühstückssemmeln bringt, und anderen Dienstkräften ein kleines Neujahrsgeschenk zu geben. Auch das Neujahrsanblasen wird noch vielfach geübt.

Heilig-Drei-König
Die Nacht vor dem Heilig-Drei-Königstag ist die letzte der zwölf Rauhnächte und zugleich eine der wichtigsten Losnächte. Sie ist auch die letzte und gefährlichste der vier eigentlichen Rauchnächte. So hat sich die Sitte des Ausräucherns von Haus und Hof am Dreikönigstag bis heute noch allgemein erhalten.

Dreikönigswasser
Am Nachmittag des Vortages ist in allen Kirchen die "Dreikönigsweich", die Weihe des Heilig-Drei-Königs-Weihwassers, des Weihrauchs und der Kreide. Nach der Weihe hebt oft ein arges Gedränge an um das geweihte Wasser. Denn meist sind es Kinder, die von ihren Eltern geschickt werden, das neugeweihte Wasser zu holen. Und das ist uralter Volksglaube: wer das Dreikönigswasser zuerst schöpft, der empfängt die kräftigste "Weich". So wird der Kampf um das geweihte Wasser manchmal ziemlich grob, weil alle versuchen, ihre Töpfe und Flaschen als erste im Dreikönigszuber unterzubringen.

Das Ausräuchern
Zu Hause geht’s dann ans "Ausräuchern". Man nimmt eine Räucherpfanne, gibt glühende Kohle und Weihrauch hinein und geht, begleitet von einer Person, die ein Gefäß mit Heilig-Drei-Königswasser trägt, in alle Stuben und Kammern, in die Ställe und Bodenräume. Nun wird das geweihte Dreikönigswasser ausgesprengt. Zugleich schreibt man mit der geweihten Kreide an alle Türen die Anfangsbuchstaben der Namen der Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar, dazwischen zwei Kreuze und als Umrahmung die Jahreszahl: 19 K + M + B 67. Wer es besonders genau nahm mit der Ausräucherung, der versah auch Kästen und Truhen mit den Anfangsbuchstaben der Heiligen Drei Könige. Nun war der Hof wohlgefeit gegen die Macht der Unholde!

Maria Lichtmeß
Ende des Dienstbotenjahres
Wieder ein paar Tage später, am 2. Februar, ist einer der wichtigsten Feiertage im bäuerlichen Jahr: Maria Lichtmeß. An diesem Tag weiht der Priester den Bedarf an Kerzen für das kommende Jahr. Mit Lichtmeß war früher  das bäuerliche Dienstbotenjahr zu Ende. Die Tage um Lichtmeß galten früher als Zeit der Reinigung, der Befreiung von der Bangnis des Winters. Das Licht war im Wachsen; von nun an konnte man wieder ohne künstliches Licht arbeiten. Dabei ist zu bedenken, daß die Menschen früher viel eher schlafen gingen als wir und daß sie mit dem Aufgang der Sonne wieder aufgestanden sind. Auch Lichtmeß galt bei den Alten als ein Lostag, und aus den Kerzen und ihrem Brennen wurde geweissagt. Dem brennenden Kerzenlicht maß man seit alters eine magische Wirkung bei. Geweihtes Licht schützt vor Krankheit und jähem Tod, vor bösen Geistern, vor Blitz und Hagel. Pocht der Tod an die Tür einer Krankenstube, so zünden die Angehörigen des Sterbenden die Totenkerze an, damit ihr Schein den Weg ins Jenseits erhelle und die Geister der Unterwelt fernhalte.

Sankt Blasius
Am Blasiustag wurde zuerst zum "Einblaseln" in die Kirche gegangen. Der Pfarrer erteilte mit kreuzweise zusammengebundenen, eigens geweihten Kerzen den sogenannten Blasiussegen zum Schutz gegen Halskrankheiten. Der heilige Bischof Blasius sollte nach der Legende ein Kind, das beim Fischgenuß zwei Gräten kreuzweise im Halse stecken hatte, durch das Kreuzzeichen vor dem Tod des Erstickens gerettet haben.

Neuer Einstand
Im Lauf des Tages wechselten dann die Ehehalten, die nicht am alten Platze bleiben wollten, den Bauernhof. Die Mutter oder ein Verwandter begleitete sie. Dafür bekam sie am neuen Hof den "Weisertwecken" (Schlenklwecken) und nach einem ausgiebigen Mahl noch ein ganzes Bschoadtüchl voller KücheIn, Fleisch und Krapfen. Straßen und Wege waren erfüllt von Pferdefuhrwerken oder Schlitten, auf denen der Bauer oder Baumann oder auch der wandernde Knecht selber den Kasten mit der Habe des betreffenden Ehehalten zum neuen Dienstplatz brachten. Wechselte ein nichtsnutziger Ehehalte fleißig, so hatten die Bauern sofort einen trennenden Spruch zur Hand: "D'vierzehntagnanni brauchat an ihrn Kastn Rad] ani!" Von nun an hatte der Dienstbote treu, redlich und tüchtig zu sein, und der Bauer hatte alle Abmachungen zu halten, die sie der einst beim "Fragn" durch Handschlag bekräftigt hatten, dann war es eine Freude für alle Beteiligten. Knecht und Magd erhielten für jedes Stück Vieh, das aus dem Stall geführt wurde, vom Käufer ein Trinkgeld, die Magd auch für jedes verkaufte Schwein. Ein Stück Fleisch von der Mettensau und etliche Würste noch obendrein durften nicht vergessen werden.

Schlanklzeit
Lichtmeß und Blasitag waren eine schöne Zeit für die bäuerlichen Arbeitskräfte. DieTage vor und nach Lichtmeß bildeten die überaus beliebte Schlenklweil, an denen nur die sogenannte "Wegarbeit" fällig war. Man durfte seine Sachen richten und Eltern und Verwandte aufsuchen, soviel man Lust hatte. Noch nicht genug, es folgten auch die begehrten Schlenkltage (Schlankltage): jeder Dienstag (Irta) - und Donnerstag (Pfinsta) nachmittag bis zum Aschermittwoch war ein Bauernfeiertag, und man wünschte sich nur, daß Ostern spät im Jahre fiel, damit die ländliche Schlanklzeit viele freie Nachmittage bescherte. Die Winterarbeit war getan, Drischl und Spinnrad ruhten. Daß die unterhaltlichen "Rockenreisen" mit ihren gemütlichen Zusammenkünften auf den verschiedenen Höfen aufhörten, bedauerten alle jungen Leute. Die Rocknroas mit ihrer trauten Geselligkeit, ihren lustigen Spielen und gruseligen Geschichten war auch zu unterhaltsam gewesen!

Fasching
Doch gleich ging es weiter mit dem Feiern: schon hat die lustige Faschingszeit begonnen. "Lustig ist die Fasenacht, wenn die Mutter KiachIn backt? Wenn sie aber keine backt, pfeif ich auf die Fasenacht!"

Palmsonntag
Der Palmbuschen

Mit dem Palmsonntag beginnt die an schönen Bräuchen so reiche Osterzeit. Schon acht oder vierzehn Tage vor dem Palmsonntag ziehen die Buben aus, von einem Weidenstamm ihre Palmgerten und Palmbäume abzuschneiden. Am Tag vor dem Palmsunntag geht es ans Schmücken des Palmbaums. Früher setzten die Buben ihren ganzen Ehrgeiz darin: jeder wollte am Palmsonntag den größten und schönsten Palmbuschen dabeihaben. Man schmückte ihn mit Sträußchen vom Buchsbaum und vom Segensbaum, mit bunten Streifen aus Seide und Papier, mit Fastenbrezeln, Orangen, Nüssen und Äpfeln. Oft wurden die Palmbäume so hoch, daß sie untereinander ins Gehege kamen. Zum Gaudium des andächtigen Publikums und zum Ärger der Geistlichkeit schlugen die Buben oft schon in der Kirche aufeinanderlos, daß die Nüsse, Baugen und Bänder nur so flogen. Jetzt werden alle in die Kirche marschierenden Palmbaumträger kontrolliert. Zwei Kirchendiener stehen mit Säge und Messer vor dem Kirchenportal und schneiden die zu langen Gerten unbarmherzig auf etliche Meter zurück, was freilich manche Knabenträne kostet", schreibt Michael Waltinger. So schmolzen die nächtigen PaImbäume im Laufe der Zeit zu kleinen Palmsträußen zusammen. Bei der Palmprozession in der Kirche oder um sie herum wurden die vorher geweihten Palmgerten mitgetragen. Dann wurden sie von den Buben his zum Ostersonntag gut versteckt. Fand ihn jemand, so mußte der Palmbaumträger dem Finder an Ostern sechs rote Eier Finderlohn zahlen. Am Ostersonntag kommen die geweihten PaImtkätzchen zum Kreuz in den Herrgottswinkel der Bauernstube. Einen Zweig steckt man unter den Dachfirst, damit der Blitz nicht einschlägt. Kommt im Sommer ein heftiges Gewitter auf, so wirft die Bäuerin einige geweihte Palmkätzchen ins Ofenfeuer, damit das geweihte Feuer das wilde banne. Geweihte Palmzweige steckt man in die Ecken der Felder, damit sie ihnen Fruchtbarkeit verleihen und Mißwuchs fernhalten. Seit Urzeiten gilt das frische Grün des Frühlings als heil- und segenskräftiges Zeichen, als Unterpfand künftiger Fruchtbarkeit der Felder, und die Kirche hat diese symbolhafte Bedeutung des Grüns vertieft, indem sie ihm eine Weihe zuteil werden läßt.

Die Karwoche

Die Karwoche ist eine Woche der Trauer: An ihrem Ende müssen sogar die Glocken trauernd schweigen. Dafür geben die Ministranten mit der hölzernen Karfreitagsratsche die Zeichen zum Gottesdienst. Der Heidenlärm, den sie damit erzeugen, trägt ihnen reichen Eiersegen ein. Deshalb lassen sie auch heute vielfach noch nicht von diesem alten Ministrantenbrauch. In der Karwoche sind die Osterbeichttage. Ist die Osterbeichtzeit vorüber, so sammelt der Pfarrer die Beichtzettel ein. Für jeden Beichtzettel gibt man ihm seit alters ein Ei, das "Beichtei".

Karfreitag
Am Karfreitag trauert die ganze Natur über den Kreuzestod des Herrn. Alle unschickliche Arbeit wird vermieden. In den Kirchen ist auch heute noch häufig das Heilige Grab aufgerichtet und mit farbig leuchtenden Karfreitagskugeln stimmungsvoll verziert. Viele Leute beten davor. Durch die neue Liturgie wird es leider mehr und mehr verdrängt.

Karsamstag
Geweihtes Osterwasser
Der Karsamstag ist der Tag der Weihe des Feuers und des Taufwassers. schon der heilige Bonifatius. der im Jahr 739 die bayerischen Diözesen gebildet hat, berichtet uns in seinen Briefen vom Osterfeuer der Germanen, deren Brauchtum er mit großem Eifer auszurotten versuchte. Seit seiner Zeit weiht die Kirche das Osterfeuer. Lange hielt man bei dieser kirchlichen Feuerweihe daran fest, das Feuer mit Stahl und Feuerstein zu entfachen, wie dies in grauer Vorzeit geschah. Noch bis in unsere Tage herein ging es am Karsamstagmorgen vor vielen Dorfkirchen recht lebhaft zu. In der Kirche hatte der Mesner alle Lichter, auch das Ewige Licht, ausgelöscht. Dann entzündete er an einem windstillen Platz vor der Kirche, meist im Friedhof, das Osterfeuer und verbrannte darin die Überreste der heiligen Öle des verflossenen Jahres.

Der Osterbrand
Nun segnete der Priester das Feuer. Mit dem neugeweihten Feuer wurden die Lichter in der Kirche wieder angezündet. Erst das Rauchfaß, dann das Ewige Licht und die Altarkerzen. Kaum hatte der Priester die Feuerstätte verlassen, drängten sich die Kinder und die Erwachsenen, die an der Weihe des Osterfeuers teilgenommen hatten, zum Feuer. Jedes hatte einen Stecken mitgebracht, den Stamm des Palmbaumes oder einen großen Kienspan, und dieser Stecken wurde nun ins Osterfeuer gesteckt, bis er angebrannt war. Dieses geweihte Feuer trug man nach Hause und entfachte mit ihm das Herdfeuer. Aus den angebrannten Stecken, dem "Osterbrand", schnitzte man am Ostersonntag die kleinen Feldkreuzeln, die in die Äcker und Wiesen gesteckt wurden. Manchmal hat man das geweihte Holz auch bis Georgi aufgehoben und erst an diesem Tag die Feldkreuze daraus geschnitten. Diese Kreuze hießen dann die "Georgikreuzln".

Das Osterwasser
In der frühchristlichen Zeit wurde die Taufe nur während der nächtlichen Gottesdienste vor dem Oster- und dem Pfingstfest gespendet. Deshalb schloß sich am Karsamstag an die Feuerweihe die Weihe des Taufwassers, des "Osterwassers", an. Die Leute tragen es wie das Dreikönigswasser in Krügen und Flaschen nach Hause. Früher gingen die Mädchen und Frauen am Karsamstag in aller Frühe zu einem Brünnl, um sich mit dem klaren Quell das Gesicht zu waschen. Dies galt als Mittel, Schönheit zu erlangen. In der Zeit vor Ostern wurden an vielen Orten mit großer Hingebung Fasten- und Passionsspiele aufgeführt, die in der Zeit der Aufklärung der Staat verboten hat.

Ostersonntag
Der Ostersonntag, der Haupttag des Frühlingsfestes, war bei den Alten ein Tag der Reinigung und der segenskräftigen Handlungen. Zur -symbolischen- Reinigung bedient man sich des Wassers, im christlichen Gebrauch des Weihwassers, und auch den anderen kultischen Handlungen des Tages hat die Kirche längst ihre Segnungen zuteil werden lassen.

Geweihtes Osterfrühstück
Schon am Vorabend hat die Hausfrau das Körbchen zurechtgerichtet, das sie am Ostersonntag mit in die Frühmesse oder ins Hochamt zur Speisenweihe nimmt. Ein Stück Geselchtes muß dabei sein, Brot, ein gebackenes Osterlamm oder ein Osterwecken, der "Oaspitz", Salz, buntgefärbte Antlaßeier, dazu ein Stück Meerrettich. Sein Genuß soll an das bittere Leiden unseres Herrn erinnern. Bei den Eiern wurde zuvor die Schale aufgepickt, "daß d'Weich neikann". Jedermann im Hause mußte vor dem Mittagessen von den geweihten Dingen, von der "Weich", essen. Auch das Vieh im Stall erhält etwas geweihtes Brot und Salz unters Futter. Den Hühnern gibt man ein zerhacktes Antlaßei von der Osterweihe, damit sie der Fuchs nicht erwischt. Die Schalen der geweihten Eier durften nicht weggeworfen werden. Manche aßen ein halbes oder auch ein ganzes Ei mitsamt der Schale. Die übrigen Eierschalen, wurden unter den Saatbüscheln vergraben, die man aus jedem Feld herausgestochen und mit den Speisen hatte weihen lassen und die dann im Lauf des Tages wieder auf den Feldern eingesetzt wurden. Wo keine Saatbüschel ausgegraben, wurden, streute man die Schalen der geweihten Antlaßeier einfach über die Felder. Auch die Schwarte das geweihten Osterschinkens kam aufs Feld. Dazu sprengte man das neue Osterwasser aus. Auch war es üblich, einige der geweihten Eierschalen dem Fuchs im Walde hinzustreuen, damit er im kommenden Jahr das Hühnervolk verschone. Vielfach hob die Bäuerin von jeder Speise, die es an Ostern gab, einen kleinen Rest für den Fuchs und für die anderen Hühnerfeinde auf und streute sie in den Wald mit den Worten: "Fuchs, Habicht und Krah, laßt uns den Fried das ganze Jahr!" Auch die Frösche im Weiher wurden durch einen Guß Osterwasser zur nächtlichen Ruhe ermahnt. Gegessen wurde am Ostersonntag, soviel man konnte. Denn im katholischen Bayern haben die Landesherren das Fastengebot immer wieder durch strenge Fastenordnungen eingeschärft und so war man froh, endlich wieder essen zu dürfen, wie es einem schmeckte. Man darf nicht übersehen, daß solche Fastengebote letzten Endes auf der Erfahrung beruhten, daß es sehr zuträglich ist, einmal eine Zeitlang weniger zu essen als sonst und sich gewisser Speisen ganz zu enthalten.

Österlicher Flurumgang
Es war die Gepflogenheit unserer Vorfahren, im Frühling um die Dorflinde, um heilige Haine und um die Feldfluren zu reiten. Umritte hält man bei uns an Ostern schon lange nicht mehr. Doch war es bis in unsere Zeit herein Brauch der Bauern, am Ostersonntag, einen Flurumgang zu halten. Die ganze Hausgemeinschaft umschritt rosenkranzbetend ihre Flur. An diesem Umgang haben sich in der Zeit nach dem letzten Krieg oft auch die Flüchtlinge beteiligt, die beim Bauern wohnten. An vielen Orten hielt man den Flurumgang in aller Frühe, noch ehe der Tag angeläutet war, an anderen Orten fand er nach dem Mittagessen statt. Es war ein herzerfreuender Anblick, von einer Anhöhe aus die vielen kleinen Privatprozessionen der einzelnen Bauernfamilien zu verfolgen. In einigen Gegenden Niederbayerns ist man diesem Brauch noch heute treu, in den meisten ist er freilich abgekommen.

Das rote Ei
Im Mittelpunkt des österlichen Brauchtums stand seit Alters das Osterei. Das Ei gilt ja als Symbol der Fruchtbarkeit und der Lebenskraft. Alle bunten Ostereier hießen kurz das "rote Ei". Mit ihnen wurde nicht gespart. Jedermann, der auf dem Hof zu tun hatte, bekam "a roats Oa". Vor allem die Kinder hatten reichen Anteil am Eiersegen. Ein halbes Dutzend Eier hatte sich der Bub schon in aller Frühe verdient, wenn er den geweihten Palmbaum heil von seinem Versteck hervorholte, ohne daß ihn zuvor jemand entdeckt hatte. War ihm aber ein anderer zuvorgekommen, so erhielt der die Eier. Arme Kinder bettelten an den Bauerntüren "Bitt gar schö um a roats Oa!" - keines umsonst. Göd und Godn verteilten an jedes ihrer Patenkinder mindestens sechs Ostereier, meistens aber viel mehr, dazu meist noch eine blanke Silbermark. Kein Täufling, kein Firmling wurde vergessen. Große Höfe brauchten Körbe roter Eier zum Verschenken.

Georgi
Schutzpatron der Pferde

Am 23. April hat der heilige Georg, der erste unter den vierzehn Nothelfern, seinen Tag. Die Überlieferung berichtet, der heilige Georg habe unter dem römischen Kaiser Diokletian um das Jahr 300 den Märtyrertod erlitten. Zum Reiter und Drachenkämpfer wurde er erst in der Legende des 12. Jahrhunderts. Die Ritter wählten ihn zu ihrem Schutzherrn und deshalb sind die mittelalterlichen Burgkapellen in der Regel dem heiligen Georg geweiht. Als Reiter wurde der heilige Georg auch zum Schutzpatron der Pferde; ihm zu Ehren veranstaltete man früher an vielen Orten Pferdeumritte. Am Georgstag steckte der Bauer in aller Frühe die "Georgikreuze" auf seine Felder und Wiesen. Aus dem geweihten Holz vom Karsamstag, einem Palmzweig und einem kleinen Ast vom Segensbaum wurden kleine Kreuzl zusammengefügt. Gleichzeitig sprengte der Bauer auch Osterwasser auf seine Fluren. Wehe dem, der bei der Ernte das Georgikreuz unachtsam abmähte! Ihm war nach altem Glauben der Tod sicher. Weil der heilige Georg auch als Wurmpatron galt, hütete man sich an diesem Tag zu mähen oder zu flicken. Sonst bekam man den gefürchteten "Wurm" an dem Finger, wenn man sich mit der Nadel verletzte. Der Georgstag war als Frühlingstermin einer der festen Zeitpunkte im bäuerlichen Jahr für Zahlungen, für Wechsel und Umzug des Gesindes.

Markusbittgang
Am 25. April, dem Tag des heiligen Evangelisten Markus, findet noch heute von der Pfarrkirche aus eine Bittprozession statt, um den Segen Gottes auf die Feldfrüchte herabzurufen. Der Markusbittgang ist uralt. Er wurde von Papst Gregor dem Großen, der von 590 bis 604 regiert hat, neu belebt, damit er die heidnische Bittprozession verdrängte, die um diese Jahreszeit abgehalten wurde.

Erster Mai
Die Walpurgisnacht
Die Nacht vor dem 1. Mai, die Walpurgisnacht, ist eine Losnacht. In dieser Nacht, so glaubten die Alten,
fahren die Hexen auf Besen durch die Lüfte und wollen den Menschen, dem Vieh und den Äckern Unheil zufügen. Die Hexe war den Alten eines der Symbole für die Mächte, die ihm schaden. In anderen Teilen Deutschlands wurden in dieser Nacht Holzstöße abgebrannt, um die Hexen zu vertreiben, und um Fruchtbarkeit über die Fluren zu rufen. Bei uns erzählt manche Sage, vom Ausritt der Hexen in der Walpurgisnacht.

Der Maibaum
Der Brauch, im Dorf einen Maibaum aufzustellen, war vor einigen Jahrzehnten fast am Erliegen; in letzter Zeit wird er wieder lebhaft gepflegt. Schon zeitig wird eine der mächtigsten Fichten aus einem nahen Wald ausgesucht und es gilt für den betreffenden Waldbesitzer im allgemeinen als Ehrensache, den Maibaum zu stiften. Der Baum wird bis auf den Gipfel entästet. Auch geschält muß er werden. Dann wird der Maibaum mit Fichtengirlanden und Kränzen, mit bunten Bändern, geschnitzten Handwerkszeichen und sonstigem Zierat versehen. Am Abend vor dem 1. Mai wird er inmitten des Dorfes aufgestellt. Am Maitag selbst findet im Dorfwirtshaus der Maitanz statt, und es ist üblich, daß die Burschen, die den Maibaum aufgestellt haben, Freibier erhalten. Bei solchen Maibaumfeiern wurden früher auch spaßige Gesellschaftsspiele veranstaltet, so das Sackhüpfen und Schubkarrenrennen. Früher galt der Grundsatz: Der Maibaum muß gestohlen sein! Man holte ihn aus dem Wald, ohne daß der Waldbesitzer etwas davon wußte. Doch dieser war darüber nicht böse. Im Gegenteil, er war stolz darauf, wenn er sagen konnte "der Bam is aus meim Holz!" Auch heute wird der Maibaum noch "gestohlen", aber nur mehr zum Schein. Die Burschen holen den Baum, vor dem Dorfwirtshaus weg, "stehlen" ihn, um ihn dann auf einem Wagen mit Musik und Hurra zur Aufstellung anzufahren. In den vorausgehenden Nächten muß der Baum gut bewacht werden, damit er nicht von den Burschen des Nachbardorfes entführt wird. Früher mußte er auch nach der Aufstellung gegen solche Diebstahlsgefahr bewacht werden. Gelang solch ein Maibaumdiebstahl, so war dies ein großes Gaudium für die erfolgreichen Diebe. An manchen Orten war es auch üblich, den Baum ein paar Meter hoch mit Schweinefett einzuschmieren, damit ihn niemand des Nachts ersteigen und Unfug stiften konnte.

Sankt Florian
Patron gegen Feuersnot
Auf den 4. Mai trifft das Fest des heiligen Florian. Auch dieser Tag war früher ein Bauernfeiertag. Der heilige Florian wurde um das Jahr 304 in dem österreichischen Fluß Enns ertränkt. Deshalb wurde er zum Schutzpatron gegen Feuersnot. Früher gab es fast in jedem Bauernhaus ein Bild vom heiligen Florian, auf denen er als römischer Krieger mit einem Wasserschiff dargestellt war. Denn die Feuersgefahr war auf dem Land schon immer groß. Nicht selten stand unter einem Florianbild ein sinniger Spruch. Früher hielten viele Feuerwehren zu Ehren ihres Schutzpatrons am Florianstag Feiern. Man trat zuerst zum gemeinsamen  Gottesdienst an, darauf folgte ein fröhlicher Trunk.

Die drei Eisheiligen
Ehe der Sommer endgültig die Herrschaft antritt, stellen sich bei uns um die Mitte des Monats Mai in der Regel nochmals ein paar kalte Tage ein. Auf diese klimatische Eigenart unseres Raumes wurden unsere naturverbundenen Vorfahren schon vor langer Zeit aufmerksam. Sie nannten die Heiligen Pankraz, Servaz und Bonifaz, deren Feste auf den 12., 13. und 14. Mai fallen, die "drei Eisheiligen". Der 15. Mai ist die "kalte Sophie". Noch einmal bricht die Kälte für ein paar Tage herein, und weil es an diesen Tagen sogar noch Nachtfröste gibt, bringen die drei Eisheiligen und die kalte Sophie der Baumblüte oft viel Schaden. Diese regelmäßige Naturerscheinung war schon unseren bayerischen Urahnen bekannt, aber auch den germanischen Stämmen, die vor ihnen unser Land bewohnt haben.

Die drei Bitt-Tage
Um von den Göttern Wachstum auf ihre Felder zu erflehen, hielten sie um diese Zeit noch einmal Flurumgänge und Flurumritte. Daraus wurden in christlicher Zeit die Bittprozessionen an den drei Tagen vor Christi Himmelfahrt; die "drei Bitt-Tage". Der heilige Bischof Mamertus von Vienne im südlichen Frankreich hat diese drei Bittage nach der Mitte des fünften Jahrhunderts eingeführt. An diesen drei Sühnetagen sollten die Gläubigen Buß- und Liebeswerke verrichten und Bittgänge veranstalten. Gegen Ende des achten Jahrhunderts wurden diese Bittgänge Gemeingut der katholischen Kirche. Zum Unterschied zu den bereits bestehenden Flurprozessionen vom Markustag, dem 25. April, den "Litaniae majores" (den größeren oder älteren Bittgängen) nannte man diese drei Bittgänge die "Litaniae minores" (kleinere oder jüngere Bittgänge). Auch dieser Bittgänge Sinn ist es, Gottes Segen auf die Fluren herabzurufen und ihn zu bitten, Frost, Hagel und Unwetter fernzuhalten.

Christi Himmelfahrt
Die Auffahrt durchs Heilig-Geist-Loch
Am Tage Christi Himmelfahrt und auch am anderen "Auffahrtstag", an Maria Himmelfahrt (15. August) bringt die niederbayerische Bäuerin "a fliagats Fleisch" auf den Tisch, einen Tauben- oder Gickerlbraten. Bei der Nachmittagsvesper wurde früher in vielen Kirchen eine holzgeschnitzte Christusfigur durch das Heilig-Geist-Loch des Gewölbes hinaufgezogen. Die Bauern, denen die bildhafte Sprache lieber war als die gelehrte, sahen dadurch mit eigenen Augen, wie der liebe Heiland zum Himmel aufgefahren ist. In einigen niederbayerischen Kirchen hat sich dieser Brauch für dessen Gelingen der Mesner verantwortlich ist, bis heute erhalten. Ehe die Aufklärungszeit mit diesen Bräuchen aufgeräumt hat, wurde überall zu Pfingsten durch das gleiche Loch der Heilige Geist in Form einer hölzernen Taube herabgelassen.

Pfingsten
Zehn Tage nach Christi Himmelfahrt ist Pfingsten. Das kirchliche Brauchtum dieses Tages ist nicht reich ausgebildet. Es beschränkte sich auf die Weihe neuen Taufwassers am Pfingstsamstag und auf das erwähnte Herablassen der hölzernen Taube aus dem Heilig-Geist-Loch am Pfingstsonntag. Um so reicher entfaltete sich ehedem das weltliche Brauchtum dieses Festes. Zu Ostern ist es bei uns manchmal noch ziemlich kalt. An Pfingsten hingegen hat die Sonne den Sieg davongetragen über die Macht des Winters. Deshalb ist das Pfingstfest zum Sammelpunkt vieler uralter Mai- und Sommerfeste geworden. Diese weltlichen Pfingstbräuche spielen sich alle erst am Pfingstmontag ab.

Der Prangertag
Die große Prozession
Der feierlichste Umgang des ganzen Jahres ist die Fronleichnamsprozession. Auf dem Land heißt der Fronleichnamstag auch Prangertag. Dieser Name leitet sich ab von den "Prangstangen", die früher bei den Prozessionen mitgeführt wurden, und von dem übrigen "prangenden" Zubehör dieses Festes. Die Prangstangen waren große geschmückte und bemalte Stangen, Vorläufer der späteren Prozessionsstangen, abgewandelte Formen des Maibaums. Zunächst war das "Fest des Leibes Christi", das vom Papst im Jahr 1264 eingeführt worden ist, ohne Prozession gedacht. Doch in Deutschland wurde das Fronleichnamsfest sogleich nach seiner Einführung zu einer Kirchenfeier mit Flurumgang und Wettersegen. So waren auch für die Ausgestaltung dieses Festes ältere Gepflogenheiten bestimmend. Schon im Mittelalter wurde die Fronleichnamsprozession mit großem Aufwand feierlich begangen, und seit dem 14. Jahrhundert hatte man dazu an vier verschiedenen Stellen des Prozessionsweges die Evangelienaltäre aufgestellt. Ihre größte Prachtentfaltung erlebte die Fronleichnamsprozession bei uns in der Barockzeit, als sie von den Landesfürsten als wirksames Mittel gegen die Reformation nach Kräften gefördert wurde. Die Zeit der Aufklärung hat auch die üppige Pracht der Fronleichnamsprozession stark beschnitten. Doch noch heute repräsentiert die Prozession dieses Tages in Dorf und Stadt in einer großartigen Weise das ganze Gemeinwesen. Die Vorbereitungen machen viel Arbeit. Das ganze Dort wird gefegt und gekehrt, die Häuser werden mit Kränzen, Girlanden und Fahnen geziert und der Weg mit Gras und Blumen bestreut. In Stadt und Land hängen rote Tücher vor den Fenstern, und vor allen Häusern, an denen die Prozession vorbeikommt, stehen junge Birken. An den vier angestammten Plätzen werden die vier Evangelienaltäre aufgestellt. Alle Vereine und Verbände nehmen daran teil, allen voran die Mädchen in weißen Kleidern. Zum lauten Beten und zum Festgesang der Prozessionsteilnehmer gesellen sich die getragenen Weisen der Blaskapelle, Glockengeläut und Böllerschüsse. Unter dem Traghimmel schreitet der Priester in vollem Ornat mit dem Allerheiligsten in der goldenen Monstranz. Es ist Ehrenpflicht der höchsten Gemeindemitglieder, in der Fronleichnamsprozession hinter dem Allerheiligsten zu gehen. Früher trugen die Ministranten überall in Körben kleine Kränze aus verschiedenen Kräutern mit, die hernach unterm First aufgehängt wurden, um den Blitzstrahl abzulenken. An manchen Orten ist dieser Brauch noch heute in Übung. Früher fanden an vielen Orten am Fronleichnamstag eigene Kräuterweihen statt und die geweihten Kräuter wurden insbesondere als Wettersegen verwendet. Auch heute noch gelten das Grün der Birken, an denen das Allerheiligste vorbeigezogen ist, und Kräuter, Kränze und Blumenschmuck der Fronleichnamsaltäre als segenskräftig. Deshalb werden auf dem Land die Birkenstauden nach der Prozession von Frauen und Kindern gerupft. Ein Zweig davon wird daheim hinters Kreuz gesteckt oder ein Kreuzl davon aufgehängt. Aus dem Grün des Fronleichnamsschmucks flochte man früher Kränze, die am Johannistag zerrieben und ins Feuer geworfen wurden. Mancher Bursch holt sich im Schutz der Dunkelheit einen solchen Buschen und trägt ihn vor die Tür seiner Hochzeiterin oder vor die Schwelle eines unbescholtenen Mädchens. Weniger rühmlich bekannte Mädchen hingegen bekamen einen alten Strohbesen vor Tür oder Fenster oder es wurden ihnen Gsod oder Spreu vor das Hoftor gestreut. Auch der Glaube an einen Dämon zog sich noch bis in unsere Zeit in die Vorstellungswelt des Prangertages herein. An diesem Tag, so wähnten die Alten, geht der "Bilmesschneider" um. Er reitet während des Gebetläutens über die Felder. Alles Getreide, das der gefräßige Bock während dieser Zeit abbeißen kann, nimmt er mit. Deshalb war es früher Sache des Mesners, am Fronleichnamstag und an den übrigen Tagen, an denen der Bilmesschneider umgeht, das Gebetläuten so kurz zu halten als möglich.

Wetterläuten
Im Juni gehen die Wetter über das Land hin, welche die Märzennebel angekündigt haben. Ist ein Märzmorgen recht nebelverhangen, so sagen die Bauern, in hundert Tagen gebe es ein Gewitter. Solche Bauernregeln haben sich im Lauf jahrelanger Naturbeobachtung herausgebildet und es liegt viel Erfahrungsgut in ihnen. Den tieferen Sinn manchen Brauches haben in einigen Fällen erst die modernen Naturwissenschaften aufgedeckt. Der Gelehrte der Himmelskunde Rudolf Kühn hat in seinem 1962 erschienenen Buch "Die Himmel erzählen" in dem Kapitel über den Mond folgendes geschrieben: "Es gibt unzählige Bauernregeln, die gewissen Pflanzen bei bestimmten Mondstellungen ein besonders gutes Wachstum zuschreiben. Wir neigen beute allzu leicht dazu, solche Dinge gleich in das Gebiet des Aberglaubens zu verbannen. Sicher sind die meisten regeln solcher Art stark von Aberglauben durchsetzt und verfälscht. Andererseits kennen wir bis heute einige wenige Erscheinungen aus dem Tier- und Pflanzenreich, die ohne jeden Zweifel mit den Mondphasen zusammenhängen und deren Existenz wissenschaftlich einwandfrei in Hunderten von Versuchen und Beobachtungen nachgewiesen worden ist." Auch das sogenannte "Notfeuer" ("Wildfeuer"), das die Alten als Heilmittel, aber auch als Vorbeugungsmittel gegen Tierkrankheiten entzündet haben, hat die moderne Wissenschaft als durchaus wirksam befunden, da sie die bakterientötende Wirkung scharfen Rauches erkannt hat. Die Alten wußten noch nichts von Bakterien. Doch stützten sie sich auf ihre Erfahrungen und glaubten, das Feuer würde die Luft reinigen und der Schreck würde die Krankheit aus den Tieren vertreiben, da sie mehrmals durch dieses Feuer getrieben wurden.

Johannisfeuer
Sonnwendtag
Mit den heißen Tagen rückt der längste Tag des Jahres näher. Der astronomisch genaue Sonnwendtag ist der 21. Juni. Doch nach Auffassung der Alten fällt die sommerliche Sonnenwende auf den 24. Juni Deshalb hielten sie ihre Sonnwendfeiern an diesem Tag ab. Der Mittsommer war ein Gipfelpunkt im alten Festjahr. Dieses Ereignis feierten die Alten vor allem durch das Abbrennen von Freudenfeuern. Weil das Bemühen der Kirche, diesen Brauch zum Erliegen zu bringen, ohne Erfolg geblieben war, legte sie das Fest des heiligen Johannes des Täufers auf diesen Tag, da er die "Leuchte der Menschheit" war. Später erhielt das Johannisfeuer vielfach sogar den Segen der Priester. "Hans Dampf' haben die Bauern den Tag des Vorläufers des Heilands getauft, im Gegensatz zum "Weinhans", dem Lieblingsjünger Jesu, dessen Fest wir am 27. Dezember begehen und zu dessen Ehren der Johanniswein getrunken wird. Am "Suwendtag" dampft es von alters her aus jedem Hof, denn zur Feier des Tages wird überall gebacken. Neben anderem Schmalzgebäck gibt es vor allem die beliebten "Hollerkiachln", das sind die Blütendolden des Holunderbusches, die in Teig getaucht und in Schmalz herausgebacken werden. Wer an Johanni HollerküchIn ißt, dem kann in diesem Jahr kein Fieber an. Der Volksmund sagt auch: Wer Hollerküchln ißt, der kann am Abend am besten übers Sonnwendfeuer springen. Der Holunder, der beim Landvolk in so hoher Meinung steht, daß man Unheil fürchten müßte, wollte man einen Hollerbusch abhauen, prangt um diese Zeitn in herrlich weißen Blütendolden.

D`Habergoeß
Der Letzte auf dem Haberfeld wurde als "Habergoaß" "dableckt". Beim Kiachlessen am Abend aber wurde er für diese Unbill wieder entschädigt, indem er eine aus mehreren "Kiachln" zusammengebackenes Mandl, die Habergoaß", erhielt. Der Habergeiß spukte viel in den niederbayerischen Köpfen. War es bei der Ernte zum Einfahren, so gab es abends stets KiachIn oder "bachane Nudeln".

Arntbier
Den Schluß und die Krönung der Ernte bildete das "Arntbier"  mit Schweinebraten und viel Schmalzgebäck und vor allem mit einem Faß Bier. Bis spät in die Nacht wurde geschmaust und gezecht, und die Stimmung stieg aufs höchste. War der Acker mit dem Doppelrechen nachgestreift, dann kannten sich die Ährenleser darüber hermachen. "s Äam" besorgten arme Leute, vorallem die Kinder. Sie durften hernach ihre Ausbeute zum Dreschen bringen. Sie waren es auch, die den ,,Zoll", ,,Oswald" oder ,,Nothalm" ihrem  Ährenstick einverleibten.

Ausdreschen
D`Drischleg
Zu Urgroßvaters Zeiten konnte man schon während des Haberschnittes die Dreschflegel pumpen hören. Es wurde den ganzen Herbst hindurch gedroschen und meist erst nach Weihnachten damit aufgehört. Die "Drischleg" war das Abschlußfest für diese schwere und langwierige Bauernarbeit. Dabei sollte die Bäuerin mit einem Strohband "drosselt" werden, und die Drescher suchten sie, die sich verrannt" hatte, im ganzen Haus. Mit reichlich Bier konnte sie sich loskaufen. Kaum saß man beim Drischlschmaus, da ging im Dorf eine "Morzmettn" an. An allen Ecken krachten die Stutzen. Natürlich wurden die jungen Schützen hereingeholt und sie durften sich auch nach Herzenslust gütlich tun. Im Lauf des vorigen Jahrhunderts trat vereinzelt der Göpel an die Stelle des Dreschflegels. Ein großer Zugochse mußte im Hof unentwegt im Kreis herumgehen, um den Göpel in Betrieb zu halten. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hielt dann die Dampfmaschine ihren Einzug in den Bauernhöfen. Die ersten Dampfmaschinen wurden aus England eingeführt. An sie wurde dann eine Dreschmaschine angeschlossen. "Morgen kommt der Dampf", sagten die Kinder freudestrahlend, wenn die Dampfmaschine eingesagt wurde, denn für die gab es dann wieder viel Neues zu sehen. Bald nach der Ernte wurde "ausdroschn". Die Dreschmaschine mit der Dampflokomobile kam nur einen halben Tag lang. Ausgedroschen wurde dann viel später, manchmal erst im November oder Dezember. Vorher mußte man bei Nachbarschaft, Freundschaft und Verwandtschaft "zum Dampf" einsagen. Das war die Einladung, bei der Drescharbeit mitzuhelfen. Diese Dienstleistung beruhte auf Gegenseitigkeit. Am Dreschtag waren in den großen Höfen oft 20 und mehr Personen beisammen. Schon das Einholen der Maschine war ein Hauptvergnügen für die Kinder, die ganze Dorfjugend lief hinterdrein. Die "Maschinleut" wurden aufs beste bewirtet. Am letzten Tag war abends die Maschingaudi, ähnlich wie die Drischleg früherer Tage. Schade, daß auch diese alten trauten Bräuche dem Untergang geweiht sind! Bald wird der Mähdrescher die Dreschmaschine vollends verdrängt haben, so wie der Elektromotor den guten alten "Dampf" abgelöst hat.

Kräutlfrauentag
Während der Haupterntezeit hat der Bauer keine Zeit zum Feiern. Die sechs Wochen von Anfang Juli bis Mitte August gehören ganz der Arbeit. Der nächste große Bauernfeiertag, der "große Frauentag" Maria Himmelfahrt, trifft erst auf den 15. August. Um diese Zeit ist die Ernte im wesentlichen eingebracht. Auf dem Land heißt dieser Tag der "Kräutlfrauentag", denn an ihm findet in vielen Kirchen die Gewürzbüschel- und Kräuterweihe statt. Neunerlei Kräuter sollten im Kräuterbüschl sein, in der Hollertau mußten es gar 77 verschiedene Kräuter sein.

Erntedankfest
Ende August hebt allmählich der "Altweibersommer" an und "Muttergottes-" oder "Liebfrauenfäden" fliegen in der milden, herbstlichen Luft und spinnen uns ein. Am 8. September, dem Tag Maria Geburt, der im Gegensatz zum Fest Maria Himmelfahrt auch "kleiner Frauentag" heißt, wird in den meisten Orten das Erntedankfest gehalten. An anderen Orten wird das Erntedankfest am 12. September, dem Fest Maria Namen, abgehalten. Feldfrüchte zieren an diesem Tag die Altäre. An verschiedenen Orten werden zum Erntedankfest kirchliche Prozessionen gehalten.

Michaeli
s`Liachtbratl
Als nächster Bauernfeiertag folgt am 29. September das Fest des heiligen Michael, Michaeli, wie der Tag beim Bauernvolk heißt. Jetzt erst ist der Apfel pflückreif und die Obsternte kann beginnen. An Michaeli fing die Lichtarbeit an; die Spinnräder wurden vom oberen Boden heruntergeholt. "Michaeli kants (zünds; vom lateinischen Wort incendere=anzünden) Liachtl o, daß 's Dirndl spinna ko." Ehedem wurde der Beginn der winterlichen Lichtarbeit durch ein "Liachtbratl" gefeiert: Zur Feier des Tages kam ein Braten auf den Tisch. Bei den Handwerkern, so erzählt Michael Waltinger, hieß noch um die Jahrhundertwende der Montag nach Michaeli der "Liachtbratlmoda". An ihm wurde allgemein blau gemacht, mittags verzehrte man einen leckeren Braten, und am darauffolgenden Tag ging die Lichtarbeit an. Michaeli ist auch ein alter Ziel- und Einstehtag. In einigen Gegenden Niederbayerns war es Sitte, daß die Dirn an diesem Abend, wenn der Rauch aus dem Kamin stieg, ein "Reiserbuad" (Reisigbündel) in die Stube brachte und dafür Schmalznudeln entgegennahm. Nach altem Herkommen findet an manchen Orten um diese Zeit ein "Michaelimarkt" statt.

Der Kirta
Allerweltkirta
Zu den wichtigsten Festen im bäuerlichen Jahr zählt das Kirchweihfest, der "Kirta". Dies war ursprünglich das Erinnerungsfest an die Einweihung einer jeden Kirche. Hatte die Weihe am Tag ihres Patrons, ihres heiligen Schutzherrn, stattgefunden, so fielen das Kirchweih- und das Patroziniumfest auf einen Tag zusammen. So hatte früher jede Ortschaft an einem bestimmten Tag im Jahr ihren eigenen Kirta. Dieser alte Kirta war ein bäuerliches Sippenfest, und wie beim Totenmahl nach einer Beerdigung wurden nahe und entfernte Verwandte und Bekannte geladen. Die meisten Kirchweihfeiern fielen in den Sommer und in den Herbst. Mit der Nachfeier nahm der Kirta immer mehrere Tage in Anspruch. Dadurch wurden die landwirtschaftlichen Arbeiten oft sehr beeinträchtigt. Aus diesem Grund hat man im Jahr 1868 die örtlichen Kirchweihfeiern abgeschafft und als gemeinsamen Zeitpunkt der Feier des Kirchweihfestes den dritten Sonntag im Oktober bestimmt. Neben diesem allgemeinen Kirchweihfest, bei dem die weltliche Feier sehr viel stärker ausgeprägt ist als die kirchliche, wird des Kirchenpatrons an den betreffenden Tagen, am "Patroziniumstag", durch meist schlichte und würdevolle kirchliche Feiern gedacht. An manchen Orten finden am Tag des alten, örtlichen Kirta "Kirchweih-Erinnerungsfeiern" statt. "Allerweltskirta" heißt das Kirchweihfest, seitdem es einheitlich auf den dritten Oktobersonntag festgelegt ist. Es ist das große Herbstfest der Bauern. Am Samstag zuvor wird die Kirchweihfahne aus dem Kirchturm herausgehängt, der "Zachäus", wie das Volk diese Fahne in Anspielung auf das Evangelium am Kirchweihsonntag vom Zöllner Zachäus getauft hat. Auch heute noch ist es Sache jeder Bäuerin, zur Kirta große Mengen schmalzgebackener Dinge herzustellen. Und in die Heerscharen der Gänse und Enten reißt das Schlachtmesser die empfindlichsten Lücken, denn nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei den Städtern besteht Einigkeit darüber, daß der heilige Kirchweihtag nur dann recht gefeiert ist, wenn eine knusprig gebratene Kirtagans oder eine Kirtaantn aufgetragen wird. Auch am Kirchweihmoda wird noch tüchtig geschmaust und gezecht, daheim und beim Wirt. Früher war auf dem Land am Kirchweihmontag schulfrei. Der alte Kirchweihvers

"A richtiga Kirta dauert bis zum Irta, und wenn a sie tuat schicka, dauert er bis Migga".
stammt aus einer Zeit, zu der die Kirchweihfreuden beinahe eine Woche dauerten. Niemand hielt sich an Kirta an das Gebot, Maß zu halten mit Speise und Trank: Man aß soviel, bis es nicht mehr ging. Früher zahlte der Bauer nach dem Essen jedem Dienstboten den "Kirchweihgulden" aus, eine Mark oder auch einen Taler pro Kopf, und zum Schluß bekamen alle Dienstboten noch eigens einen Teller voll Schmalzgebackenes, das sie in ihren Kleiderkästen oder Truhen aufbewahrten.

Allerseelen
Gräberumgang/Seelenwecken

Die Vollendung des Jahreslaufs der Natur, ihre Vorbereitung auf den langen Schlaf gemahnt uns dazu, unserer Toten zu gedenken. Gedächtnisfeste für die Abgeschiedenen sind allen Völkern bekannt. Papst Johannes XIX. hat die allgemeine Feier des Gedenkens an unsere Toten im Jahr 1006 auf den 2. November festgelegt. Hat auch das Gras die Ruhestätten unserer Lieben draußen im Friedhof wild überwuchert: Für den Allerseelentag werden die Gräber mit aller Sorgfalt hergerichtet. Schon am Nachmittag des Vortages, des Allerheiligentages, ist noch heute allerorten ein feierlicher Gräberumgang. An diesem Tag erhielten die Patenkinder von ihren Goden und dem Göd eine Mark, ein Überbleibsel aus älteren Zeiten, zu denen sie sogenannte Seelenwecken bekamen. Dies waren aus Hefeteig gebackene Zöpfe in Weckenform. Diese Seelenwecken oder Seelenzöpfe erhielten auch die Kinder von ihren Eltern und die Mädel von ihren Burschen. Auch am Allerseelentag findet nach dem vormittägigen Gottesdienst nochmals ein Gräberumgang statt. Wie am Tag vorher stehen die Leute an den Gräbern ihrer Verstorbenen und lassen während des Umgangs am Grab in dem Allerseelenlämpchen aus farbigem Glas ein Wachslicht brennen. In manchen Bauernhäusern betet die Familie an diesem Abend und während der ganzen Allerseelenwoche den Rosenkranz. Dabei brennt für jeden Hausgenossen ein schwarzes Wetterkerzl oder Allerseelenlichtl. Es war der Glaube unserer Vorfahren, die Toten würden am Allerseelen- und am Allerheiligentag unter den Lebenden weilen. Deshalb bewirtete man die Toten mit Allerseelengebäck. Später wurden diese Allerseelenopfer häufig in Gaben an Arme und Kinder umgewandelt. Deshalb war der Allerseelentag ehedem ein Tag der allgemeinen Mildtätigkeit. Die Armen gingen an Allerseelen "in die Seelenwecken": sie zogen von Haus zu Haus, von Ort zu Ort und baten um einen Seelenwecken. Dies waren kleine Brötchen aus schwarzem Mehl in Weckenform. Mit einem "vergelts Gott für alle armen Seelen" wurde die Gabe in Empfang genommen. "Ein besonders im unteren Bayerischen Wald üblicher Brauch", schrieb Michael Waltinger, "ist das Holen von Seelenwecken am Tag vor Allerseelen bzw. Allerheiligen, das manchem Bauern 800 bis 1000 Seelenwecken kostet und jedes Jahr für einen Tag die Schule entvölkert. Soviel Köpfe erscheinen, soviel Wecken werden gegeben. Der Tag ist immer ein Erntetag für die Armen, welche ganze Körbe, Kirben und Säcke voll Seelenwecken zusammenbringen, so daß sie nicht selten einen Teil davon in irgend einem Hause einstellen müssen, um ihn des anderen Tags mit einem Karren zu holen. Der Bauer gibt seine Wecken gerne; er erhofft sich dafür wieder reichen Segen auf seinen Feldern." Und Johann Pollinger schrieb um die nämliche Zeit "Es ist rührend zu sehen, mit welcher Liebe die Bevölkerung an den armen Seelen hängt. Für sie betet man bei den Tageszeiten, bei dem Erwachen und Schlafengehen; für sie läßt man heilige Messen lesen und gibt Almosen; für sie werden am Allerseelentag die Gräber geziert; ihretwegen besucht man die Gräber, stellt brennende Kerzen darauf usw. Ihretwegen bleibt kein Messer mit der Schneide nach oben am Tisch liegen, die armen Seelen müßten darauf sitzen. Ihretwegen wird am Samstag abends der Tisch säuberlich abgeräumt; die armen Seelen ruhen dort aus. Ihretwegen darf die Türe nicht knarren, das tut den armen Seelen weh. Ihretwegen darf man die Tür nicht zuschlagen; zwischen Tür und Angel sitzt eine arme Seel'. Die armen Seelen warten auf Erlösung, daher die Redensart: "Endlich ist die arme Seel' erlöst". Beim Eintreten und Verlassen der Kirche besprengen die Leute nicht bloß sich, sondern sie sprengen zum Ärger des Mesners auch noch reichlich Weihwasser auf das Pflaster "für die armen Seelen". Auch auf die Gräber sprengt man Weihwasser." Noch heute gehört das Geschehen am Allerseelentag zum lebendigsten Teil des kirchlich-weltlichen Brauchtums unserer Heimat.

Leonhard
Der Bayerische Herrgott
Am 6. November ist das Fest des heiligen Leonhard, des "bayerischen Herrgott". Der heilige Leonhard ist im Jahr 559 als Abt gestorben; nach 1100 wurden ihm zu Ehren in Süddeutschland eine große Zahl von Kirchen geweiht. Im Laufe des Hochmittelalters wurde seine Verehrung so volkstümlich, daß sein Fest mit den großen Jahresfesten gleichen Rang erhielt. In die Kirchen des heiligen Leonhard opferte das Volk früher eiserne Votivgaben, die der Dorfschmied grob herausschmiedete. Als dem Patron der Gefangenen opferte man ihm eiserne Ketten, als dem Patron der Pferde, des Viehs und der Landwirtschaft überhaupt brachte man ihm kleine eiserne Tiere dar. In Niederbayern gibt es eine größere Zahl von Leonhardskirchen. Fast alle waren sie einst am Tag ihres Patrons Mittelpunkt eines Pferdeumritts, eines Leonhardiritts.

Martini
Am 11. November ist der Tag des heiligen Martin, der um 370 bei Poitiers in Südfrankreich das erste abendländische Kloster gegründet hat und später Bischof von Tours geworden ist, wo er an einem 11. November begraben wurde. Schon im frühen Mittelalter breitete sich sein Kult in Frankreich, England und Deutschland aus. Bei uns steht der heilige Martin als großer Volksheiliger neben den Rittergestallen des heiligen Michael und des heiligen Georg. Das bedeutendste Baudenkmal in Niederbayern, die Hauptkirche der Stadt Landshut, ist ihm geweiht. Dort begegnet uns sein Bild als Ritter auf weißem Pferd, wie er mit dem Schwert seinen Mantel teilt, um ein Stück davon dem Bettler zu geben.

Vergessenes Brauchtum des Martinitages
Auch der heilige Martin ist bei den Bauern neben dem heiligen Leonhard und dem heiligen Stephan Viehpatron. Deshalb ist Martini ein alter Bauernfeiertag. Das weltliche Brauchtum des Martinstages war früher reich entfaltet, doch war es im Laufe der Zeit starken Wandlungen unterworfen. Früher trank man die Martinsminne, man entzündete Martinsfeuer und hielt Maskenumzüge und Martini-Umritte lauter Bräuche, die uns schon öfters begegnet sind auf unserer Reise durch das alte bäuerliche Festjahr.

Sankt Martin und die Gans
In unseren Bauernkalendern, in denen die einzelnen Feste durch kleine Bilder bezeichnet waren, da die Bauern früher nicht lesen konnten, war der Martinstag durch eine Gans dargestellt. Daß der heilige Martin und die Gans zusammengekommen sind rührt daher, weil an dem ehemals bedeutenden Festtag die Gänse eben schlachtreif wurden und mit ihrem saftigen Braten das Fest verschönern helfen mußten. Die Martinigans fehlte früher auf keinem bäuerlichen Tisch. In manchen Teilen Niederbayern gab es die Martinigans regelmäßig als Abendessen. Mit dem Braten wurde auch eine Laterne auf den Tisch gestellt als Zeichen dafür, daß am nächsten Morgen das Dreschen anging. Des anderen Tages konnte man denn auch schon um drei Uhr früh das eintönige Klappern der Dreschflegel vernehmen.

Hüterlohn
Früher wurde an Martini der Dorfhüter für seine Hütarbeit im Sommer und Herbst entlohnt. Es war ein kümmerliches Brot, das Hirtenbrot. Es wurde in Getreide ausbezahlt - je nach der Art und Zahl der behüteten Tiere. Mit einer Kirm oder einem Sack ging er mit seinem Hütbuben von Haus zu Haus und sammelte seine Gaben ein. In der Hand trug er die mit einem Wacholderbuschen verzierte Hütgerte, denn wie bei allen wichtigen Jahresfesten spielt der grüne Zweig auch an Martini eine wichtige Rolle.

Kathrein
Kathrein stellt den Tanz ein
Auf den 25. November trifft das Fest der heiligen Martyrin Katharina, die im Jahr 306 gerädert und enthauptet wurde. Die Kreuzzüge brachten ihren Kult nach Deutschland, und seit dem Ausgang des Mittelalters gilt die heilige Katharina als die mächtigste Fürbitterin unter den vierzehn Nothelfern. Da wenige Tage später die Adventszeit beginnt, ist der Katharinentag der letzte Tag für fröhliche Veranstaltungen. "Kathrein stellt den Tanz ein", hört man es noch heute aus Bauernmund.

Andreas
Die Orakel der Andreasnacht
Die Nacht vor dem Andreastag, dem 30. November, ist eine wichtige Losnacht und soll den neugierigen Dirndl'n den Zukünftigen verraten.

Advent
Mit dem ersten Sonntag nach dem 26. November beginnen die vier Adventssonntage, die Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des Erlösers. In den Kirchen werden zu früher Stunde die Engelämter gehalten. Die heutigen Adventsbräuche, wie Adventskranz und Adventskalender für die Kinder sind jüngeren Ursprungs. Doch bei den nächsten beiden Festen der Adventszeit klingen wieder sehr alte Gepflogenheiten an: Am Barbaratag dem 4. Dezember, und am Nikolaustag, dem 6. Dezember. Wenn die Hausfrauen am Barbaratag Kirschenzweige ins Wasser stecken, damit sie an Weihnachten blühen, so begegnet uns auch damit wieder eine Form des Lebensbaumes, der Lebensrute. Wenn die Zweige an Weihnachten in voller Blüte stehen, so deutet dies der Bauer als Vorzeichen einer guten Ernte im neuen Jahr. Das Landvolk hält viel auf die heilige Jungfrau Barbara, die von ihrem grausamen Vater in einem Turm gefangengehalten und, als sie sich der christlichen Lehre zuwandte, dem Tod preisgegeben wurde. Auch sie gehört zu den vierzehn Nothelfern und ist Patronin der Artillerie und manch schwerer Berufe, so der Bergleute und Glockengießer, der Zimmerer und Maurer. Auch bei Ungewitter und in Feuersgefahr wird sie angerufen.

Nikolaus
Die Verehrung des heiligen Nikolaus, der nach 300 nach Christus Bischof von Myra in Kleinasien war, bürgerte sich im deutschen Sprachraum im zehnten Jahrhundert ein. Im Laufe der Zeit wurde er zu einer der volkstümlichsten Heiligengestalten im Altbayerischen. Die Volksbräuche des Nikolaustages gehören zu den lebendigsten Bräuchen unserer Zeit. Kettenrasselnd und anklopfend geht er mit seinem Gefolge, dem Knecht Ruprecht, dem Krampus, dem Klaubauf oder mit der Habergeiß von Tür zu Tür, immer am Vorabend seines Festtages, am 5. Dezember. Wir denken zurück in graue Urzeit, wo man mit Lärmen und Klopfen böse Geister und die wilde Jagd, die in diesen dunklen Nächten durch die Lüfte braust, vertreiben wollte.